GREEN BUSINESS MALLORCA #1 oder: Alle nach Malle!?
Mallorca und Nachhaltigkeit- das ist auf den ersten Blick natürlich ein schwieriges Thema. Jedoch ist die größte Balearen-Insel viel besser als ihr Ruf, auch wenn die ehem „Putzfraueninsel“ und dann „Partyinsel“ (Ballermann und Magaluf) jahrelang mit unglaublichen Horden von (großteils) deutschen und britischen Touristinnen klarkommen musste. Nun befindet sie sich auf einem verantwortungsvollerem Weg in Richtung Qualitätstourismus, und dieser Imagewandel wird immer spür- und sichtbarer.
Wie sich trotz jährlicher Besucherrekorde ein schonender Umgang mit den natürlichen Ressourcen auf der schönen Insel verträgt, ist allerdings weiterhin eine Gratwanderung. Trotzdem hat sich die Insel im Rahmen des sog. „Mallorca Pledge“ (Mallorca-Versprechen) folgender Frage verschrieben: Wie kann man dieses einzigartige Inselparadies für zukünftige Generationen schützen und ein nachhaltiges Mallorca schaffen?
Der Tourismus ist ja an sich kein sehr nachhaltiges Geschäftsmodell, schon gar nicht auf einer Insel wie Mallorca. Europäische Urlauber verbrauchen mit einem Hin- und Rückflug fast schon ihr CO2-Budget eines halben Jahres 😬. Auf Mallorca angekommen verursachen sie Müll und lassen gerade im Sommer Unmengen an Wasser in den Abguss fließen.
Erstmals in seiner Geschichte hat der Flughafen von Palma de Mallorca in diesem Jahr mehr als 30 Millionen Reisende abgefertigt. Im Durchschnitt starten und landen etwa 1.000 Flugzeuge pro Tag (!) am Flughafen Palma de Mallorca, dem größten Flughafen der Baleareninsel. Die meisten Flüge nach Mallorca kommen aus Deutschland, gefolgt von Großbritannien, Spanien und Frankreich, Italien, Niederlande, Skandinavien, Schweiz. So gut wie keine Langstreckenflüge landen hier, Mallorca ist ein durch und durch europäisches Reiseziel, reiche Russen, Araber, Chinesen etc sind hier quasi nicht zu sichten. Das ist das Gute im Schlechten. Die täglichen Emissionen, die hier aufgrund der Anzahl der Flüge produziert werden, sind zwar unglaublich, aber zumindest potenzieren sie sich nicht mit deren Länge.
Natürlich führt die große Anzahl von Flugbewegungen auch zu Belästigungen durch Fluglärm und Umweltverschmutzung. In den letzten Jahren wurden verschiedene Maßnahmen ergriffen, um die Auswirkungen des Flugverkehrs auf die Umwelt zu verringern. Dazu gehören die Einführung von leiseren Flugzeugen und strengere Auflagen für den Flughafenbetrieb. Trotz der Umweltbelastungen ist der Flughafen Palma de Mallorca für die Wirtschaft der Balearen von großer Bedeutung. Der Tourismus ist einer der wichtigsten Wirtschaftszweige der Insel und schafft Tausende von Arbeitsplätzen. Es ist daher wichtig, einen Ausgleich zwischen den wirtschaftlichen Interessen des Tourismus und dem Schutz der Umwelt zu finden. Und hier kommt Mallorcas Nachhaltigkeitsstrategie ins Spiel.
Mallorca hat das Ziel, weltweit führend im nachhaltigen Tourismus zu werden.
Die Insel soll möglichst schon vor 2030 zum „destino circular“ werden, also zu einem Reiseziel, das die negativen Folgen des Massentourismus komplett vor Ort ausgleicht. Und zwar nicht nur in ökologischer, sondern auch in sozialer Hinsicht. Schon seit mehreren Jahren hat die Inselregierung die ersten Maßnahmen ergriffen, um den traditionellen Sonne- und Strand-Modell in einen – wie es die Tourismusstiftung bezeichnet – „nachhaltigeren, wettbewerbsfähigen, verantwortungsvolleren und qualitativ hochwertigen Tourismus“ zu verwandeln.
Was ist bis jetzt geschehen?
Bereits im Juli 2016 führte die Balearen-Regierung die Tourismussteuer ein, die pro Person und pro Nacht erhoben wird. Diese Art der Kurtaxe in einer Höhe zwischen 50 Cent bis 4 Euro (auch für Kreuzschifffahrer) kommt Naturschutzprojekten zugute, um die Auswirkungen des Tourismus auszugleichen. Außerdem werden davon Forschungs- und Bildungsprojekte, der nachhaltige und saisonunabhängige Tourismus und Erhalt des kulturellen Erbes gefördert. Diese oft als „Ökosteuer“ (Ecotasa) bezeichnete Abgabe hat sich als enormer Erfolg erwiesen. Die Rekordsumme von 350 Millionen Euro soll davon in entsprechende Projekte investiert werden. Auf Mallorca laufen derzeit über 60 solcher Projekte, u.a. zur besseren Instandhaltung von Entwässerungskanälen (den so genannten Torrents“), die für die Landwirtschaft der Insel von entscheidender Bedeutung sind. Und – ganz wichtig für die Insel- auch Projekte zur Verbesserung von Wasseraufbereitungs- und Entsalzungsanlagen.
Denn nach wie vor gibt es immer wieder Meldungen über lokale Meerwasserverschmutzungen durch überlastete Kläranlagen und überalterte Rohrsysteme. Doch auch hier ist Abhilfe ist in Sicht: Eine neue Leitung quer durch den westlichen Teil Palmas ist inzwischen verlegt, ein Regenüberlaufbecken zur Entlastung der maroden Kläranlage soll in Kürze in Betrieb gehen. 90 Prozent der Abwassereinleitungen ins Meer sollen damit verhindert werden. Und ein Ableiter für weitere 72 Millionen Euro, über den das geklärte Wasser in die Bucht fließen soll, wird dank einer Länge von 1.172 Metern die malträtierten Seegraswiesen (Posidonia) in der Bucht überbrücken.
Eines der zentralen Themen des neuen Tourismusgesetzes auf den Balearen ist die ökologische Nachhaltigkeit und dabei besonders der Kreislaufgedanke, der als Stellhebel für den Fortschritt definiert wird und unter anderem das Erreichen der Nachhaltigkeitsziele ermöglicht. Die Balearen werden das erste Reiseziel sein, das von den Unternehmen die Erstellung von Kreislaufwirtschaftsplänen verlangt und damit Vorreiter bei der Umsetzung der Kreislaufwirtschaft sein. Das Gesetz legt auch die Maßnahmen und Verpflichtungen fest, die die Tourismusbetriebe in diesem Zusammenhang einhalten müssen („Kreislaufwirtschaftsplan“). Der Schwerpunkt liegt auf dem Verbrauch von Energie, Wasser, Materialien und Lebensmitteln.
Die Wettbewerbsfähigkeit der Reisebranche hängt sowohl von den Touristenströmen als auch von Einsparungen bei den Produktionskosten und Produktivitätssteigerungen ab. Daher verfügt die Branche über ein großes Potenzial, die Chancen der Kreislaufwirtschaft zu nutzen, da eine bessere Ausschöpfung der Ressourcen zu einer Steigerung der Effizienz und damit der Rentabilität führen wird.
Die Wertschöpfungskette ist bereichsübergreifend und sehr gut geeignet, um zirkuläre Beziehungen zu den wichtigsten Interessengruppen zu knüpfen. Dadurch ergeben sich weitere Möglichkeiten, die Produktionsketten und die Konsumgewohnheiten der Kundinnen positiv zu beeinflussen.
2019 folgten gleich drei Gesetze zur Förderung der Nachhaltigkeit: Als erstes das Abfall- und Altlastengesetz der Balearen, das unter anderem Einwegplastik verbietet, speziell dessen Verwendung in den Hotels. (Etliche Jahre bevor die EU dieses Verbot generell aufgestellt hat).
Es folgte das Gesetz zur Energiewende: Da Insellagen besonders anfällig für den Klimawandel sind, hat sich die Balearen-Regierung verpflichtet, bis 2035 rund 35 Prozent des Energiebedarfs aus erneuerbaren Energien zu beziehen. Bis 2050 soll komplett auf fossile Brennstoffe verzichtet, der Energieverbrauch um 40 Prozent und der CO2-Ausstoß bis Mitte des Jahrhunderts sogar um 90 Prozent gesenkt werden.
Entsprechend wurde 2019 ein Mobilitätsmasterplan ins Leben gerufen, der bis 2026 den Autoverkehr deutlich zu reduzieren und den öffentlichen Nahverkehr aufzuwerten beabsichtigt. Tatsächlich tut sich hier schon eine Menge. Ein zentraler Punkt ist die Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs, indem Bus- und Bahnfahren attraktiver und die Flotte selbst nachhaltiger wird. Immer mehr Busse und Überlandzüge fahren mit E-Energie. Zuletzt sind auch Wasserstoff-betriebene Fahrzeuge hinzukommen. Für diese produziert die Wasserstofffabrik in Lloseta als erste Anlage dieser Art in Südeuropa den grünen Wasserstoff.
Ein Solarpark auf dem Gelände des früheren Zementwerks mit einer Leistung von 8,6 Megawatt liefert einen Teil der nötigen grünen Energie. Grün ging es auch bislang schon in Lloseta zu – zumindest in optischer Hinsicht. Der Konzern Cemex ließ das Zementwerk in dem Ort bei Inca grün anstreichen. Doch trotz der Camouflage hebt sich die inzwischen stillgelegte Anlage mehr als deutlich von der Kulisse der dahinter liegenden Tramuntana ab, und die Fabrik ist nach wie vor ein Symbol für die von fossilen Brennstoffen abhängige Industrie.
Diese neue Anlage soll bis zu 300 Tonnen Wasserstoff im Jahr produzieren, und zwar für den Antrieb von Brennstoffzellen v.a. bei Bussen und Mietwagen, für die Beheizung von Gebäuden sowie auch für den Betrieb von Fähren und Häfen. Der Strom für den Betrieb der Anlage kommt aus zwei Solarparks – wegen dieser erneuerbaren Energiequelle ist deswegen auch von grünem Wasserstoff die Rede. Die Bauarbeiten für die erste Wasserstoff-Pipeline wurde gerade abgeschlossen. Die ca drei Kilometer lange Leitung soll dazu dienen, den Wasserstoff in das bestehende Netz für den Transport von Erdgas einzuspeisen.
Messung der Ziele, Kreislaufwirtschaft und neue Biomüllanlagen
Um den Fortschritt und die Ziele besser kontrollieren zu können, trat Mallorca im Juni 2021 der Beobachtungsstelle für nachhaltigen Tourismus der Welttourismusorganisation der Vereinten Nationen (UNWTO) bei.
Hier werden in 17 Kategorien, von Biodiversität und Naturschutz über Mobilität, Abfallwirtschaft, Wassermanagement bis zur Zufriedenheit von Einwohnern und Besuchern, regelmäßig Daten erhoben, die unter www.stomallorca.com öffentlich einsehbar sind. Auf diese Weise soll ein Maximum an Informationen gesammelt werden, um eine Tourismuspolitik der Zukunft zu gestalten. Somit hat die Beobachtungsstelle auch eine vorausschauende Funktion, die den richtigen Weg aufzeigt.
Besondere Aufmerksamkeit gebührt dem Touristischen Flächennutzungsplan von 2020: Der PIAT genannte Plan ordnet ein inselumfassendes Tourismusmodell für Mallorca an und basiert auf der touristischen Eindämmung, einer territorialen Ausgewogenheit, Landschaftsschutz und Nachhaltigkeit. Die Hauptziele des PIAT-Planes liegen darin, dass Wachstum touristischer Orte durch eine vereinbarte Obergrenze einzudämmen, um einen uneingeschränkt zunehmenden Tourismus in den entsprechenden Gegenden zu verhindern und die Identität traditioneller Ortskerne zu bewahren.
Der Plan unterteilt dabei die gesamte Insel in touristische Zonen, Wohngegenden und ländliche Gebiete. In diesem Sinn definiert der PIAT-Plan die maximale Unterkunftskapazität für ganz Mallorca auf eine Höchstgrenze von 430.000 Betten, davon ca. 315.000 in Hotels und mit EAT gekennzeichneten touristischen Unterkünften und 115.000 in mit ETH lizensierten Ferienwohnungen und -häusern.
Dazu gehört auch der in Europa bis jetzt einzigartige Beschluss, dass pro Tag nur noch drei Kreuzfahrtschiffe- darunter nur ein Megakreuzfahrtschiff – (ab 5.000 Passagieren) – im Hafen von Palma anlegen dürfen- was mE immer noch deutlich zu viel ist.
Der touristische Kreislaufwirtschaftsplan zielt nicht nur darauf ab, dass alle touristischen Einrichtungen, das heißt nicht nur die Hotels, sondern auch die Ferienunterkünfte, Restaurants und ähnliches ihren Wasserverbrauch und CO2-Abdruck reduzieren, Müll komplett recyceln sowie verstärkt auf lokale Produkte setzen, um Transportwege zu vermeiden.
Ein weiterer wichtiger Schritt ist das Composting Plan Project Mallorca im Rahmen der „Next Generation EU Funds“: Die erste Kompostierungsanlage von Biomüll wird in Llucmajor entstehen, die 12.000 Tonnen Bioabfall pro Jahr kompostieren soll. Vier weitere Anlagen sind an verschiedenen Orten der Insel geplant. Dazu gehört auch die flächendeckende Aufstellung von Biomülltonnen.
Das Ziel ist ein völlig plastikfreies Mallorca.
Einer der mutigsten Schritte wurde im März 2021 auf den Balearen mit dem Verbot von Einwegplastik unternommen. Gläser, Teller, Tabletts, Besteck, Strohhalme, Kaffeekapseln, Wattestäbchen sowie Einwegrasierer und Feuerzeuge aus Plastik dürfen auf den Inseln nicht mehr verkauft werden. Bei den Wasserflaschen aus Plastik hat man sich vorerst zurückgehalten, aber hier liegt der Schlüssel in der Partnerschaft mit lokalen Organisationen und privaten Unternehmen.
Philipp Baier, ein Einheimischer und Inhaber der Event-Firma LifeXperience , wurde dazu inspiriert, cleanwave.org zu gründen , eine gemeinnützige Initiative, die den Verbrauch und die Verschwendung von Plastikwasserflaschen bekämpfen will. Diese entstand aus der Entschlossenheit gleichgesinnter Einzelpersonen, Unternehmen, Restaurants und Hotels, das Problem anzugehen, und die jetzt kostenlose Wasserflaschen-Nachfüllstationen auf der ganzen Insel anbieten. Die lokale Regierung ist ebenfalls an Bord gekommen und installiert permanente Wasserauffüllstationen in Palma und allen touristischen Hotspots.
Zum Thema Plastik im Meer, https://www.savethemed.org/en/– eine vor Ort gegründete Wohltätigkeitsorganisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, „dem Mittelmeer zu ermöglichen, seine reiche biologische Vielfalt wiederzuerlangen und in Harmonie mit der lokalen Bevölkerung zu gedeihen“. Neben der Organisation von Strandsäuberungen usw. bietet sie auch ein Schulprogramm an, das die nächste Generation über die Bedeutung des Schutzes der Meeresökologie der Insel aufklärt.
Strampeln für die Nachhaltigkeit: So trommelt Mallorca für umweltschonendes Verhalten
Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft sind also auf der Insel ein großes Thema. Im Rahmen der „eMallorca Experience” fanden heuer zwischen Mitte März und Ende Juni inselweit Aktionen statt. Startseite – eMallorca Experience
Diese „eMallorca Experience” spiegelt das aktuelle Bestreben der Landesregierung und des Inselrats wider, Mallorca und die Schwesterinseln zu einer sowohl nationalen als auch internationalen Vorbild-Destination in Europa hinsichtlich der Umsetzung nachhaltiger Lebens- und Konsumweisen zu machen. „Die Balearen sind bereits heute in Spanien Vorreiter hinsichtlich einer ökologisch verträglichen Kreislaufwirtschaft auf regionaler Ebene”- heißt es in einer Aussendung.
Solarenergie
Last but not least: Mit durchschnittlich 300 Sonnentagen im Jahr bieten nur wenige andere Orte in Europa ein solches Potenzial für Solarenergie wie Mallorca!
Rund 260 Millionen Euro werden auf den Balearen in Photovoltaik-Anlagen investiert. Von den 55 Projekten werden 46 dieser Solarparks auf Mallorca sein. Zum Beispiel hat Enel Green Power seine Anlage Sa Caseta in Llucmajor fertiggestellt und ihre zweite Anlage Nou Biniatria wird außerhalb von Alcudia gebaut.
Interessant finde ich, dass es auf der Insel quasi keine Bestrebungen gibt, in Windparks zu investieren, obwohl auch hierfür die Bedingungen ideal wären, und die Insel selbst eine unglaubliche lange Tradition bei Windmühlen hat- mehr noch: es befinden sich weltweit nirgendwo so viele (meist desolate) Windmühlen auf einer Fläche wie auf Mallorca.
Conclusio: Mallorca hängt vom Tourismus ab und ist entschlossen, eine bessere und nachhaltigere Zukunft für die Insel zu schaffen. Ein nachhaltiges Mallorca hängt von einer Partnerschaft zwischen der lokalen Regierung, privaten Organisationen, Einwohnern und Touristen ab, die gemeinsam ihre Bemühungen für eine bessere und sauberere Zukunft effektiv kombinieren müssen. Auch die Hotels tragen ihren Teil dazu bei, sowie die Gastronomie, die Landwirtschaft, der Weinbau etc. Aber darüber wird in den nächsten Artikeln zu berichten sein.
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